«Ein Schloss» der Alpträume
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Wem Ruhm und Ehre gebührt,
dem winkt ein Stipendium, ein Artists-in-Residence-Programm. Dahin
kann man dann die Leute wegloben, deren Verdienste einmal
überhandnehmen könnten. Eine Künstler- oder Schriftstellerkolonie ist natürlich stets in einer wunderschönen Umgebung untergebracht, mit allem Komfort versehen, es stehen Angestellte zur Verfügung und ein ‘Tischlein-deck-dich für alle Tage. So ein goldener Käfig, ein Refugium für ansonsten unruhige Geister, wurde auch in der tschechischen Provinz zur Zeit des Prager Vorfrühlings in einem luxuriös ausgestatteten Barockschloss eingerichtet. Der Schriftsteller Ivan Klima belustigte sich in seinem Theaterstück «Ein Schloss» über seine mit Wohlstand und Einfluss gefügig gemachten Kollegen. Er serviert seine Kritik in Form einer Kriminalgeschichte: Einer der Schlossbewohner wird ermordet. In das so frei gewordene Zimmer wird ein neuer Stipendiat einquartiert, dem allerdings tiefes Misstrauen entgegenschlägt. In absurden Rollen- spielen wird der an Motiven reichhaltige Mordfall immer komplizierter, auch der Ermittler verwickelt sieh in den zahlreich gespannten Fallstricken der gleichermassen verschworenen wie intriganten Schlossbewohner. Das Stück Die zweite tschechoslowakische Republik förderte (aus historisch-nationalistischen Gründen) ihre Schriftsteller, Philosophen und Kulturfunktionäre |
mit «geradezu
orientalischer Grosszügigkeit». So wurde ihnen unter
anderem auch das Barockschloss Dobris in der Nähe von Prag als
luxuriöses Lebens- und Arbeitsrefugium zur Verfügung
gestellt. Klima, der «als blutiger
Anfänger» selbst
einige Zeit auf dem Schloss «unter anerkannten
Grössen der
tschechischen Literatur» verbrachte, konnte miterleben, wie
sich das luxuriöse Leben und die Abgeschiedenheit des Ortes
negativ auf Fantasie und Schaffenskraft vieler seiner Kollegen
auswirkte. Zitat Klima: «Die meisten von denen, die in den Genuss irgendwelcher Privilegien gelangen, beginnen diese früher oder später zu verteidigen. Statt auf die Stimme des eigenen Gewissens hören sie lieber auf die Stimme der Angst um ihre Privilegien». Es ist dies «ein Stück über eine Welt, in der hinter geschlossenen Türen alles erlaubt ist» «Ein Schloss» steht symbolisch für unzählige kleine Schlösschen, die über den ganzen Erdball verteilt liegen. Die Kritik Klimas am Machtmissbrauch, den seine Zeitgenossen vor knapp 40 Jahren trieben, ist auch heute noch gültig, denn die Furcht vor Macht- und Privilegienverlust bildet überall und zu allen Zeiten einen guten Nährboden für Intrige, Verlogenheit und für den zunehmenden Realitätsverlust der sich abschottenden Subgesellschaften. Der Autor Ivan Klima wurde 1931 in Prag geboren, war als Kind drei Jahre lang im KZ Theresienstadt interniert, dort unternahm er auch seine ersten Schreibversuche. Nach seinem Studium arbeitet |
«Das Schloss» ist ein Stück über die Welt, in der hinter geschlossenen Türen alles erlaubt ist: «Die meisten von denen, die in den Genuss irgendwelcher Privilegien gelangen, beginnen diese früher oder später zu verteidigen.» Bild pd
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er
als Lektor und Journalist und wurde nach der Veröffentlichung
seines Theatererstlings «Ein Schloss» als
Nachwuchshoffnung der tschechischen Literatur gehandelt. Doch schon drei Jahre später sollte er bei der sozialistischen Regierung in Ungnade fallen, da er 1967 auf einem Kongress des tschechoslowakischen Schriftstellerkongresses vehement für die Einführung von Pressefreiheit eintrat. Er wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen.Während des Prager Frühlings, bereits behaftet mit einem Publikationsverbot, befand |
sich
Ivan Klima mit seiner Familie in den USA. Er bezeichnete es später als mutigste Entscheidung seines Lebens, dennoch ins besetzte Prag von 1970 zurückzukehren. Er wurde zwar nicht - wie befürchtet - nach Sibirien deportiert, doch man zog seinen Pass und seinen Führerschein ein, das Telefon blieb tot, und das Publikationsverbot wurde aufs Ausland ausgeweitet. Von nun an verdiente er sich seinen Lebensunterhalt unter anderem als Autor von Trickfilmen und als Landvermesser. Dennoch blieb er weiterhin |
schriftstellerisch
aktiv, nur dass seine Arbeiten fortan lediglich in illegalen
Samisdat-Auflagen von wenigen Dutzend Stück verlegt,
beziehungsweise in privaten Literaturrunden weiterverbreitet werden
konnten. Kürzlich, am 7. Januar 2010 aber, wurde Ivan Klima
mit
dem Karel-Capek-Preis des tschechischen PEN-Clubs ausgezeichnet. (pd)
»Ein Schloss», wird am 24März im Feldkireher Pförtnerhaus erstmals gezeigt. Weitere Auffuhrungen am 26., 27., 29., 30.und am 31. März, jeweils 20 Uhr. |