Dekadenz, gezüchtet
ÜberzeugendePerformance des Theaterensembles „Schauspielraum“
Mit der Produktion „Ein Schloss“ zeigte das Ensemble „Schauspielraum“ (ehemals Kellertheater Rhelntal) eine skurril-verstörende Produktion im Feldkircher Pförtner haus. Das kriminalistische Kammerspiel lebt von guten darstellerischen Leistungen und Feinheiten In Inszenierung und Bühnenbild.
Von Raimund Jäger
Zuallererst: „Ein Schloss“ des tschechischen Autors Ivan Klima hat vordergründig nichts mit „Das Schloss“ von Kafka zu tun, auch wenn immer wieder kleine Zitate aus dem Jahrhundertwerk (die Figur des Josef Kahn (sic), der Beruf des Landvermessers, die anonymisierten Autoritäten) auftauchen. Doch auch die Grundstimmung ist eine ähnliche die Unfähigkeit/Unmöglichkeit, das Schloss (in diesem Fall) zu verlassen, die fast gebetsmühlenartigen Obsessionen der Bewohner, die kritische bis apathische Haltung zur Staatsmacht, die Beengtheit von Raum und Zeit.

Stimmen der Angst

Der aber gänzlich andere Inhalt ist schnell erzählt: Ijia wird von seinen Mitbewohnern gemeinschaftlich ermordet. Bald trifft ein neuer Mitbewohner ein. Doch ihm schlägt Misstrauen entgegen, da er sich nicht so recht in die Gemeinschaft einfügen will. In erster Linie geht es dem in seiner Heimat lange verfolgten Ivan Klima um die Freiheit der Kunst, denn ähnliche Refugien für Künstler

Schwarze Schafe, kunterbunt: Die Intriganten des Schlosses
die auf diese Weise wohlgesinnt oder sogar still gehalten wurden, gab es im ehemaligen Ostblock tatsächlich. Dass die an sich unruhigen Geister in dieser von Spitzeltum und Staatsverordnung geprägten Atmosphäre scheitern mussten, war eine der Konsequenzen. Zitat Klima: „Die meisten von denen, die in den Genuss irgendwelcher Privilegien gelangen, beginnen diese früher oder später zu verteidigen. Statt auf die Stimme des eigenen Gewissens hören sie lieber auf die Stimme der Angst um ihre Privilegien.“

ProfessionelleLaien


Diese Atmosphäre der Unterdrückung, die schließlich Stillstand, ja Dekadenz zur Folge hat, konnte Regisseur Wolfgang Schnetzer, der minimalistisch und sehr effektiv inszenierte, überzeugend über die Rampe bringen.
Die zwischen Resignation, Aggression und kindisch-hierarchischen Rollenspielen hin und her pendelnden Charaktere wurden - man bedenke, dass es sich hier doch um ein Laientheater handelt - ganz hervorragend interpretiert. Exzellent agierten - in den auch dankbarsten Rollen - vor allem Bertram Seewald als anmaßend-schmieriger Journalist Alfred, Michael Heinzel ah zynisch-erhabener Philosoph und Beatris Senften als verbitterte Neurobiologin, die allesamt auf hiesigen Profibühnen spielen könnten. Aber auch David Feuerstein, Selina Friedli, Jörg Mussger und Helmut Ritter agierten weit über gängigem Laien-Niveau.
Fest für‘s Auge


Dass die Produktion in Summe eine derart professionelle Anmutung hatte, lag nicht nur am gekonnten Einsatz von Musik (Technik: Thomas Kuschny), Maske (Michaela Haspl), Licht (Martin Beck) und Kostümen (Alexandra Kegele), sondern vor allem am fantastischen Bühnenbild von Roland Adlassnigg. Die alle extra für das Stück entworfenen Dekos und - besonders wichtig - Utensilien (Verzerrung der Perspektiven durch den Raum, aber auch zu groß gestaltete Einrichtungen) schufen erst jene bizarre Atmosphäre, von denen der Text und das Spiel lebt. Schade, dass nur sechs Aufführungen dieses interessanten und anregenden Bühnenwerkes angeboten wurden - auch andere Vorarlberger Gemeinden würden sicher von einem Gastspiel profitieren.


Bizarre Tätigkeiten in bizarrem Dekor: Bertram Seewald als Albert in "Ein Schloss"