“Monsieur Laurent's Baby“
Das Kellertheater Rheintal präsentiert die österreichische Erstaufführung eines Melodrams von Roland Topor
“Monsieur Laurent‘s Baby“ v. Roland Topor
Mit Michael Heinzel, Jutta Gaßner, Anna Kofler, Lothar Marte, Bertram Seewald
Bühnenbild: Roland Adlassnigg
Kostüme: Alexandra Kegele
Regie: Wolfgang Schnetzer
Saumarkt Feldkirch
Premiere: Mi. 2.4. 03, 20.15 Uhr 4. u. 10.4.03, 20,15 Uhr Rauch Klub, Marktg. 11, Feldkirch 14., 15.4.03,20 Uhr
Alter Spielboden, Jahng. 10, Dornbirn, 25., 26., 27.4.03,20 Uhr.


schließend durchs Abitur, liest “Ubu Roi“ ‘von Alfred Jarry, Werke von lonesco, Beckett, „Dada“, sieht Bilder von Duchamps und den Surrealisten. Um nicht zum Algerienkrieg eingezogen zu werden, inskribiert Roland Topor an der Ecole des Beaux Arts. Er sendet eine Auswahl seines Ouevres an den englischen „PUNCH“. Auszug aus der Antwort “Ich fürchte, Ihre Arbeiten sind zu rüde und dilettantisch für uns:‘ Doch sein Humor ist feucht genug, um damit in Frankreich und in Deutschland Karriere als Zeichner, Buch- und Plakatillustrator machen zu können. Daneben schreibt er Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Sein Roman “Der Mieter“ wird von Roman Polanski verfilmt. Er ist Filmemacher (“Erotischer Zirkus“), tritt als Schauspieler auf (u.a. neben Klaus Kinski in Werner Herzogs “Nosferatu“) und gestaltet für Federico Fellini das
Portrait Roland Topor
RolandTopor
Monsieur Laurent, ein Herbergsvater in einer schönen Ausflugsgegend, nagelt sein Baby an die Haustüre. Kaum einer seiner Gäste empört sich über diese grauenvolle Tat und zeigt Mitleid mit dem Säugling. Im Gegenteil - die Grausamkeit wird in Menschenliebe umgedeutet. Er habe “wie Gottvater selbst“ sein Baby “für die Erlösung der gesamten Menschheit“ hingegeben. Lediglich die Stimme eines Kindes und die über allem Geschehen thronende moralische Instanz, ein griechischer Chor, entsetzt sich über den Zynismus und die Menschenfeindlichkeit von Laurent und seinen Gästen. Doch als das Baby stirbt und das Gesetz einschreitet, will keiner der Gäste etwas bemerkt haben: “Die Angelegenheit ist äußerst bedauerlich, aber wir haben uns nichts vorzuwerfen."
schmaler Grat zwischen Witz und Entsetzen
Roland Topor (1938 — 1997), französischer Autor, Illustrator, Schauspieler und Regisseur, schrieb mit diesem Theaterstück keine Tragödie und keine Komödie, sondern eine surreal anmutende Mischung aus beidem. Der Grat zwischen Witz und Entsetzen ist sehr schmal. Topor selbst wäscht seine Hände in Unschuld und setzt folgendes Dementi in die Welt “Ich habe nie eine hübsche Leiche ausgegraben, um sie zu schänden, weder ein Baby an die Tür genagelt, noch rauchende Gedärme in die Hose gesteckt‘ Der Autor lacht wie die Pferde wiehern. Eine breite Spur zu laut Ho, Ho - dann entspannt sich sein Gesicht, er lässt die Backen hängen, schließt die Augen und trinkt einen Schluck Er fällt und kann sich nicht mehr erheben. Seine letzten Worte: “Ich habe Kopfschmerzen. Ein leichter Kater von gestern:‘ Berühmte Kollegen halten Grabreden. Hoch lebe die Freundschaffl Hoch lebe die Liebe! Ho, ho. Wolfram Siebeck, der Gastro-Kritiker der “Zeit“ wird kulinarisch und sagt “Topor lacht, dass die Gläser schep-
Karikatur von Roland Topor
pern.Doch Topor verwischt den Eindruck nicht, ein Betrüger zu sein. Die Kollegen verweigern klare Auskunft. Topor wird 1938 in Paris geboren, fällt an- Kaleidoskop in “Casanova“. Das Münchner Stadtmuseum richtet 1985 eine umfangreiche Retrospektive mit dem Titel “Topor, der Tod und der Teufel“ aus. In Frankreich realisiert er

die 156 Folgen lange Fernsehserle “Téléchat“. 1992 setzt er den °Ubu Roi“ in Szene. Auch bei seinem letzten eigenen Theaterstück “L‘Hiver sous la table“ (Winter unter dem Tisch), das 1996 im Flämischen Thea-
“Das ist, was mich an Topor so fasziniert:
seine grenzenlose Melancholie, seine dermaßen hoffnungslose Welt, die aber gleichzeitig so perfekt und mit allen Details versehen dargestellt wird, dass sie schließlich fast gemütlich ausschaut:‘ Federico Fellini

ter in Brüssel aufgeführt wurde, führt er Regie und entwirft Bühnenbild und Requisiten. Roland Topor wurde mitten in seiner Arbeit an einer Oper vom Schlag getroffen. “Er stirbt - immer gierig nach Arbeit Arbeit ist sein Lebensinhalt, das Imaginäre sein Zuhause‘ schreibtJacques Vallet. Und: “Roland Topor wird seinen Tod nie hinnehmen können, man sollte ihn nicht stets aufs Neue umbringen.“
Kellertheater Rheintal — eine Plattform

Das noch junge Kellertheater Rheintal, das sich nun mit “Monsieur Laurent‘s Baby“ einer Groteske von Roland Topor angenommen hat versteht sich als Plattform, die für die jeweilige Produktion ein engagiertes Team zusammenbringt. Die Auswahl der Stücke ergibt sich aus der jeweiligen Produktionsleitung und den beteiligten Schauspielerinnen. So wurde im letzten Jahr mit “Tagebuch eines Chauffeurs“ die Gogol-Adaption des “Tagebuch eines Wahnsinnigen“ mit viel künstlerischem Engagement realisiert
Wolfgang Schnetzer, der Regisseur und Gründer des Kellertheater Rheintal, war von Beginn an fasziniert von der Person Roland Topors
“Topor ist Anarchist, ebenso radikal wie hedonistisch.“
“Der Spiegel“

mit seinen vielfältigen künstlerischen Äußerungen, seinem bizarren Humor und den Verbindungen zur Avantgarde des zeitgenössischen Theater- und Filmschaffens. Die Umsetzung von “Monsieur Laurent‘s Baby“ bedeutet jedenfalls eine ganz besondere Herausforderung, die es zwischen schwärzestem Witz, schlechtem Geschmack und moralischem Anspruch zu bewältigen gilt

Vorankündigung aus Kultur April 2003
Artikel im Original